Mittwoch, 19. November 2014

Bundesarbeitsgericht segnet die Zeugnisbeurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ ab


Vorab zur Erklärung:

Eine Beurteilung im Zeugnis mit „zu unserer vollen Zufriedenheit“ entspricht etwa der Schulnote 3
„stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, entspricht der Schulnote 2
„zu unserer vollsten Zufriedenheit“ entspricht einer 1.



In Ihrem Arbeitszeugnis attestierte der Arbeitgeber einer Mitarbeiterin in einer Zahnarztpraxis die Beurteilung „zu unserer vollen Zufriedenheit“, (Note 3), obwohl es wohl (in dieser Branche) üblicherweise Beurteilungen „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ (also 2) oder besser erfolgen. Die Arbeitnehmerin klagte gegen das Arbeitszeugnis und die Vorinstanzen (das Arbeitsgericht Berlin und das LAG Berlin-Brandenburg) gaben der Arbeitnehmerin Recht mit der Begründung, dass der Arbeitgeber nicht dargelegt habe, dass die von der Klägerin (Arbeitnehmerin) begehrte Beurteilung nicht zutreffen sein.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 ) drehte den Spieß nun um und gab dem Arbeitgeber Recht. Das BAG entschied, dass nicht der Arbeitgeber nachweisen müsse, dass seine Beurteilung richtig sei, sondern die Arbeitnehmerin, dass sie eine bessere Beurteilung verdiene. Darauf, welche Beurteilungen in der Branche üblich sind, kommt es nicht an.

Die Pressemitteilung des BAG dazu:

Die vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien, nach denen fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen, führen nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht auf die in der Praxis am häufigsten vergebenen Noten an. Ansatzpunkt ist die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, muss er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im Übrigen lassen sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass neun von zehn Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungen eingegangen sind, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich „wahres“ Zeugnis. Das umfasst auch die Schlussnote. Ein Zeugnis muss auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

…..

Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden.



Neu ist an der Entscheidung des BAG allenfalls, dass es bei der Frage, was eine durchschnittliche Bewertung ist, nicht darauf ankommt, was in der Branche üblich ist oder nicht.
Im vorliegendem Fall heißt dies, dass die Arbeitnehmerin darlegen und beweisen muss, dass sie besser als nur Durchschnitt war und wenn sie dies kann, dann wäre das Zeugnis zu berichtigen.



Rechtsanwalt Frank Theumer | Zu Recht !! | www.theumer-mittag.de | 19. Nov 2014



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