Mittwoch, 28. Januar 2015

Urlaubsanspruch auch ohne zu Arbeiten ?

Ein Mandant war ein ganzes Jahr arbeitsunfähig (Krankgeschrieben). Der Mandant möchte nun wissen, ob ihm der Urlaubsanspruch noch zusteht. [Inzwischen wurde das Arbeitsverhältnis beendet und er fragt konkret nach, ob er für den gesamten Jahresurlaub eine Abgeltung verlangen kann. Kann der Erholungsurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).]

Der Arbeitgeber hat dies natürlich (bisher) nicht eingesehen und argumentierte sinngemäß: Wer nicht arbeitet, der braucht auch keinen Urlaub.


Das LAG Mecklenburg – Vorpommern (Urteil vom 24.06.2014 – Sa 221/13) sah das anders:

Der gesetzliche Mindesturlaub aus § 3 BUrlG ist in voller Höhe trotz der fehlender Arbeitsleistung des Klägers im gesamten Jahr 2011 entstanden. Denn für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und nicht seine aktive Durchführung Voraussetzung (ständige Rechtsprechung, vergleiche nur BAG vom 28.01.1982, 6 AZR 571/79, BAGE 37, 382 = AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch = DB 1982, 1065 und BAG vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10, BAGE 142, 371 = AP Nr. 61 zu § 7 BUrlG = NJW 2012, 3529). Der Urlaubsanspruch steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer gearbeitet hat. Selbst in einem ruhenden Arbeitsverhältnis entstehen die Urlaubsansprüche. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist gemäß § 13 Absatz 1 Satz 1 BUrlG unabdingbar (BAG vom 07.08.2012, aaO).

Der Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2011 ist nicht vor Klageerhebung im Februar 2013 untergegangen.
Es entspricht zwar allgemeiner Auffassung, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ersatzlos untergeht, wenn er weder bis Ende des laufenden Jahres noch bis zum Ende des Übertragungszeitraums im Sinne von § 7 Absatz 3 BUrlG (31. März des Folgejahres) genommen oder gewährt worden ist. Von dieser Regel hat die Rechtsprechung allerdings inzwischen wegen europarechtlicher Vorgaben dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber gar nicht erfüllt werden konnte. Dieser wegen durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbare Urlaubsanspruch geht erst 15 Monate nach dem Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist, unter (BAG vom 07.08.2012, aaO).
Damit wäre der Abgeltungsanspruch für den Urlaub aus dem Jahre 2011 erst mit Ablauf des 31. März 2013 untergegangen. Der Kläger hat seinen Abgeltungsanspruch aber bereits vor diesem Zeitpunkt gerichtlich geltend gemacht. Seine Zahlungsklage hindert den Untergang des Anspruchs, da dieser – ebenfalls wegen europarechtlicher Vorgaben – inzwischen als reiner Geldanspruch angesehen wird (BAG vom 19.06.2012, 9 AZR 652/10, BAGE 142, 64 = AP Nr. 95 zu § 7 BUrlG Abgeltung = DB 2012, 2288). Damit ist der Abgeltungsanspruch unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer im verlängerten Übertragungszeitraum seine Arbeitsfähigkeit wieder erreicht hat.


Fazit: Der Arbeitnehmer hat also trotz Erkrankung einen Anspruch auf Urlaub / Urlaubsabgeltung (wenn der Urlaub nicht mehr genommen werden kann).

Nun müssen wir nur noch den Arbeitgeber (notfalls mit Hilfe des Arbeitsgerichts Potsdam) davon überzeugen.....




Rechtsanwalt Frank Theumer | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch | Zu Recht !! | Ludwigsfelde, den 28. Jan 2015




Sonntag, 18. Januar 2015

Kann man auf den Mindestlohn verzichten?

Kann man auf den neuen gesetzlichen Mindestlohn eigentlich auch verzichten? - Diese Frage stellte mir in der vergangenen Woche ein Mittelständler aus Ludwigsfelde.


Na klar - viele Arbeitgeber - gerade in unserer Region - sind be- bzw. getroffen vom seit Januar 2015 geltenden Mindestlohn und so manch einer, such nach "Vermeidungsmöglichkeiten".

Das Gesetz lässt dies aber - abgesehen von einer einzigen Ausnahme - nicht zu. Lediglich § 3 des Mindestlohngesetzes gestattet eine Ausnahme.


§ 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.


Dies bedeutet, dass ein Verzicht also nur durch gerichtlichen Vergleich möglich ist.

Ein Verzicht in irgend einer anderen Form (z.B. im Arbeitsvertrag oder durch gesonderte Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer ist nicht möglich).

Fragen Sie jemand, der sich damit auskennt. Eine Rechtsschutzversicherung ist hier freilich sehr hilfreich. Aber auch wenn es diese nicht gibt, sollte man sich einen Anwalt suchen. Natürlich kostet es etwas, wenn man einen Arbeitsrechts-Anwalt beauftragt (und gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren bestehen diesbezüglich ein paar Besonderheiten), diese Kosten sind aber (fast immer) gut investiert und zahlen sich in aller Regel gut aus. Die Klärung, ob diese Investition sich lohnt, oder nicht - sollte VOR der Erteilung des Anwaltsauftrages erfolgen.




Rechtsanwalt Frank Theumer | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch | Zu Recht !! | Theumer & Theumer - Rechtliche Beratung in Ludwigsfelde und Großbeeren seit 1996



Sonntag, 11. Januar 2015

Auswirkungen des Mindestlohnes

Die Einführung des Mindestlohnes hat erhebliche Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Lohnzahlung. Insbesondere gibt es für einige Branchen weite Dokumentationspflichten (§ 17 des Mindestlohngesetzes), und zwar besonders über die Arbeitszeit und deren Umfang. Dies wird Auswirkungen auf zukünftige Überstundenprozesse haben, da der Arbeitgeber zur Dokumentation der Arbeitszeit verpflichtet ist.

Weiter ist eine Mindestfälligkeit für den Mindestlohn (letzter Bankarbeitstag des Folgemonats) eingeführt worden, die aber sehr weit gefasst wurde (das LAG Berlin-Brandenburg hatte vor Einführung des Mindestlohnes schon entschieden, dass maximal bis zum 25. des Folgemonats im Arbeitsvertrag die Fälligkeit des Arbeitslohns hinausgeschoben werden kann).

Die Unabdingbarkeit des Mindestlohnes nach § 3 des Mindestlohngesetzes hat außerdem erhebliche Auswirkungen auch auf zukünftige Lohnprozesse. So kann künftig der Lohn in Höhe des Mindestlohnes nicht mehr verfallen. Dies war bislang anders, denn in vielen Arbeitsverträgen und Tarifverträgen waren Ausschlussfristen / Verfallsfristen geregelt. Der Verfall des Mindestlohns ist nun nicht mehr möglich. Dies gilt auch für den „regulären Lohnanspruch“, jedenfalls bis zur Höhe des Mindestlohnes. Ob dies auch für Lohnansprüche ab € 8,50 pro Stunde gilt, werden die Arbeits-Gerichte noch klären müssen.



Rechtsanwalt Frank Theumer | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch | Zu Recht !!
Ludwigsfelde, den 11. Jan 2015