Ministerworte als Rechtsquelle?
Das Mindestlohngesetz wirft viele Fragen auf. Das ist bei neuen Gesetzen meistens so, aber hier sind die Rätselecken im Bundesgesetzblatt noch zahlreicher als sonst. Viele dieser Auslegungs- und Anwendungsprobleme hat man sehenden Auges in Kauf genommen. So war bereits vor Verabschiedung des Gesetzes diskutiert worden, ob Transitverkehr vom Mindestlohngebot erfasst sein würde oder nicht. Man ließ die Frage unbeantwortet und streitet sich jetzt.
Eine andere dunkle Regelung des Gesetzes ist die Feststellung des § 22 III MiLoG, wonach die Vergütung von ehrenamtlich Tätigen durch das Gesetz nicht geregelt wird. Wer hätte das gedacht? Wenn das Ehrenamt dadurch definiert ist, dass es unentgeltlich geleistet wird, dann wäre ein Mindestlohn eine aufgedrängte Bereicherung, an der niemand ein Interesse haben kann.
Und was gilt eigentlich für Amateurfußballspieler, die regelmäßig als geringfügig Beschäftigte für ihre Vereine auflaufen? Wer geringfügig beschäftigt ist, der ist Beschäftigter und damit regelmäßig Arbeitnehmer – und hat als solcher Anspruch auf den Mindestlohn. Nur der Ehrenamtliche, der nicht Arbeitnehmer ist, kann also gemeint sein; denn als Arbeitnehmer ist er nicht ehrenamtlich tätig und vice versa (s. auch BAG, NZA 2012, 1433; Urt. v. 18.3.2014 – 9 AZR 694/12, BeckRS 2014, 70029). Alles andere macht keinen Sinn. Die Regelung in § 22 III MiLoG ist rein deklaratorisch – wie auch die im gleichen Absatz zu findende Herausnahme der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.
Nach heftigem Wehklagen aus den Sportverbänden erklärte die Bundesarbeitsministerin kürzlich, dass Amateurfußballspieler trotz sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung vom Mindestlohn ausgenommen sind. Schon das ist falsch, aber den juristischen Atem verschlägt es einem bei der Feststellung, dass dies nicht für den Platzwart aus dem gleichen Verein gelten soll, der die gleichen vertraglichen Bedingungen hat. Erfreut stellte die Ministerin fest, dass so „Rechtssicherheit für die Vereine“ geschaffen wurde. Hier irrt die Ministerin: Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Platzwart und Spieler. Wenn die Ministerin eine solche Unterscheidung aus dem Gesetz herausliest, kann dies keine Rechtssicherheit bringen. Denn für die Auslegung des Gesetzes ist nicht sie, sondern sind die Gerichte zuständig. Man fragt sich nach dem Rechtscharakter einer solchen Klarstellung und bleibt ratlos. Gesetz ist sie nicht, nicht Verwaltungsvorschrift, nicht Rechtsverordnung und auch nicht Verwaltungsakt. Die Klarstellung durch die Ministerin hat keine größere Bindung als die Lesart von Lieschen Müller. Das Vorgehen ist der unkeusche Versuch, ein Gesetz nach Erlass zu korrigieren – vorbei am Erfordernis einer Gesetzesänderung. Es zeugt vom Willen, die Deutungshoheit zu behalten. Welcher Richter ließe sich das gefallen? Worte der Ministerin sind eben keine Rechtsquelle.
Professor Dr. Gregor Thüsing, LL.M., Bonn
Editorial der NJW Heft 13/2015
Sonntag, 29. März 2015
Mann beißt Polizist
Vorsicht bissig!
LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 9.1.2015 – L 4 VG 5/14
Wer einen Polizisten beißt und dann durch dessen reflexartige Handlung zu Schaden kommt, ist selbst schuld. Er ist kein Opfer einer Gewalttat.
Der Kläger war ein arger Wüterich und neigte dazu, sich ungebührlich zu benehmen. Völlig daneben benahm er sich Ende Dezember 2007 auf einer Polizeistation. Eine erkennungsdienstliche Behandlung sollte dort durchgeführt werden, und als die Polizisten zur Tat schreiten wollten, machte der Kläger derart Scherereien, dass die Beamten ihn nach mehrmaliger vorheriger Androhung auf eine Pritsche drückten und ihn dort fixierten. Dazu war einer der Beamten auf die Pritsche gestiegen, hatte sich mit beiden Beinen seitlich des Kopfes des auf dem Bauch liegenden Klägers gestellt und ihn mit beiden Händen auf die Schultern Richtung Pritsche gedrückt. Kaum stand er da und drückte, biss der Kläger herzhaft zu, und zwar in die Wade des ihn fixierenden Beamten. Für den war das überaus schmerzhaft, weshalb er reflexartig sein Bein wegzog, ebenso reflexartig das Gleichgewicht verlor und den Kläger unter sich begrub. Üble Verletzungen habe er dadurch erlitten, klagte der Beißer, und begehrte deshalb die Anerkennung als Opfer einer Gewalttat im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes. Doch das LSG winkte ab.
Quelle NJW Online
Rechtsanwalt Frank Theumer | www.theumer-mittag.de | 29. März 2015
LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 9.1.2015 – L 4 VG 5/14
Wer einen Polizisten beißt und dann durch dessen reflexartige Handlung zu Schaden kommt, ist selbst schuld. Er ist kein Opfer einer Gewalttat.
Der Kläger war ein arger Wüterich und neigte dazu, sich ungebührlich zu benehmen. Völlig daneben benahm er sich Ende Dezember 2007 auf einer Polizeistation. Eine erkennungsdienstliche Behandlung sollte dort durchgeführt werden, und als die Polizisten zur Tat schreiten wollten, machte der Kläger derart Scherereien, dass die Beamten ihn nach mehrmaliger vorheriger Androhung auf eine Pritsche drückten und ihn dort fixierten. Dazu war einer der Beamten auf die Pritsche gestiegen, hatte sich mit beiden Beinen seitlich des Kopfes des auf dem Bauch liegenden Klägers gestellt und ihn mit beiden Händen auf die Schultern Richtung Pritsche gedrückt. Kaum stand er da und drückte, biss der Kläger herzhaft zu, und zwar in die Wade des ihn fixierenden Beamten. Für den war das überaus schmerzhaft, weshalb er reflexartig sein Bein wegzog, ebenso reflexartig das Gleichgewicht verlor und den Kläger unter sich begrub. Üble Verletzungen habe er dadurch erlitten, klagte der Beißer, und begehrte deshalb die Anerkennung als Opfer einer Gewalttat im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes. Doch das LSG winkte ab.
Quelle NJW Online
Rechtsanwalt Frank Theumer | www.theumer-mittag.de | 29. März 2015
Dienstag, 24. März 2015
Darf ein Krankenschein rückwirkend (mit Rückdatierung) ausgestellt werden? – Die rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Es kommt schon vor, dass der Arbeitnehmer (wenn er erkrankt) nicht gleich am ersten Tag zum Arzt geht (oder es womöglich gar nicht kann). So mancher Arbeitgeber vermutet dann Böses, weil die Krankschreibung rückwirkend erfolgt.
Weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Arbeitsgerichtsverfahren relativ hohen Beweiswert hat schauen die Richter (und die Anwälte natürlich auch) immer ganz genau hin. Eine rückwirkende Krankschreibung kann diesen Beweiswert aber „erschüttern“, denn grundsätzlich kann der Arzt nur eine Aussage über den „Jetzt-Zustand“ des Patienten treffen und nicht über eine Erkrankung in der „längeren „ Vergangenheit. Die rückwirkende Krankschreibung (von bis zu 2 Tagen) ist aber wohl noch zulässig und wird von den meisten Gerichten akzeptiert. Dazu gibt es eine Richtlinien für Ärzte, so die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie.
§ 5 Abs. 3 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie:
Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten Inanspruchnahme des Arztes liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig.
Der Umkehrschluss funktioniert aber nicht (immer): Mit anderen Worten: eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit von mehr als 2 Tagen führt nicht automatisch dazu, dass man von einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Gefälligkeitsbescheinigung) ausgehen darf. Es wird aber die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung “erschüttert” und der Arbeitnehmer muss nun die Erkrankung nachweisen.
Rechtsanwalt Frank Theumer | 24. März 2015 | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch. | Zu Recht !!
Weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Arbeitsgerichtsverfahren relativ hohen Beweiswert hat schauen die Richter (und die Anwälte natürlich auch) immer ganz genau hin. Eine rückwirkende Krankschreibung kann diesen Beweiswert aber „erschüttern“, denn grundsätzlich kann der Arzt nur eine Aussage über den „Jetzt-Zustand“ des Patienten treffen und nicht über eine Erkrankung in der „längeren „ Vergangenheit. Die rückwirkende Krankschreibung (von bis zu 2 Tagen) ist aber wohl noch zulässig und wird von den meisten Gerichten akzeptiert. Dazu gibt es eine Richtlinien für Ärzte, so die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie.
§ 5 Abs. 3 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie:
Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten Inanspruchnahme des Arztes liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig.
Der Umkehrschluss funktioniert aber nicht (immer): Mit anderen Worten: eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit von mehr als 2 Tagen führt nicht automatisch dazu, dass man von einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Gefälligkeitsbescheinigung) ausgehen darf. Es wird aber die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung “erschüttert” und der Arbeitnehmer muss nun die Erkrankung nachweisen.
Rechtsanwalt Frank Theumer | 24. März 2015 | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch. | Zu Recht !!
Freitag, 13. März 2015
Pausenzeiten - Mandantenfrage
Der Arbeitgeber einer Mandantin (sie arbeitet täglich 6 Stunden) will keine (bezahlten) Pausenzeiten zulassen.
Recht hat er: Der Anspruch auf (bezahlte) Pausenzeit besteht nach dem Arbeitszeitgesetz erst NACH 6 Stunden Arbeitszeit - in diesem Fall also gar keine .....
Erst bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs und bis zu neun Stunden stehen Mitarbeitern mindestens 30 Minuten Pause zu. Bei einer Arbeitszeit von unter sechs Stunden sieht der Gesetzgeber nicht die Notwendigkeit, Pausen einzulegen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt stehen Ihren Mitarbeitern 45 Minuten Pause zu.
Diese gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitspausen müssen aber nicht am Stück gewährt, sondern können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Ebenfalls zu beachten ist, dass Arbeitnehmer, die mehr als sechs Stunden am Stück tätig sind, eine Ruhepause einlegen müssen und der Arbeitgeber auf die Einhaltung achten sollten. Ignoriert er das, riskiert er ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro. Und noch ein Hinweis, diese Angaben des ArbZG sind nur Mindestanforderungen, die einzuhalten sind.....mehr geht natürlich.
Rechtsanwalt Frank Theumer | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch | Zu Recht !! | Ludwigsfelde Freitag, den 13. März 2015
Recht hat er: Der Anspruch auf (bezahlte) Pausenzeit besteht nach dem Arbeitszeitgesetz erst NACH 6 Stunden Arbeitszeit - in diesem Fall also gar keine .....
Erst bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs und bis zu neun Stunden stehen Mitarbeitern mindestens 30 Minuten Pause zu. Bei einer Arbeitszeit von unter sechs Stunden sieht der Gesetzgeber nicht die Notwendigkeit, Pausen einzulegen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt stehen Ihren Mitarbeitern 45 Minuten Pause zu.
Diese gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitspausen müssen aber nicht am Stück gewährt, sondern können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Ebenfalls zu beachten ist, dass Arbeitnehmer, die mehr als sechs Stunden am Stück tätig sind, eine Ruhepause einlegen müssen und der Arbeitgeber auf die Einhaltung achten sollten. Ignoriert er das, riskiert er ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro. Und noch ein Hinweis, diese Angaben des ArbZG sind nur Mindestanforderungen, die einzuhalten sind.....mehr geht natürlich.
Rechtsanwalt Frank Theumer | Ja - Arbeitsrecht machen wir auch | Zu Recht !! | Ludwigsfelde Freitag, den 13. März 2015
Donnerstag, 5. März 2015
Mindestlohn: Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 04.03.2015
- 54 Ca 14420/14 -
Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden.
Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.
Arbeitsgericht: Mindestlohn soll unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die - wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung - nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.
Gegen das Urteil ist die Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Quelle hier
- 54 Ca 14420/14 -
Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden.
Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.
Arbeitsgericht: Mindestlohn soll unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die - wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung - nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.
Gegen das Urteil ist die Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Quelle hier
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