Donnerstag, 8. Juni 2017
Mittwoch, 7. Juni 2017
Haftung - Wenn Eltern fremde (also nicht nur die eigenen) Kinder mitnehmen.....
Die Gefälligkeit beim Eltern-Taxi und seine Folgen
Das brandaktuelle Urteil des Bundegerichtshofs dürfte die meisten
Familien betreffen, in denen Familienangehörige Kinder und Jugendliche,
die in einem Verein aktiv sind, zu Veranstaltungen und Wettkämpfen des
Vereins fahren. Passiert auf dem Weg dorthin etwas, gibt es keinen
Anspruch auf Aufwendungsersatz! Ausnahme: Es wurde mit dem Verein etwas anderes schriftlich vereinbart.
Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle - Nr. 124/2015 vom 23.07.2015
Keine Geschäftsführung ohne Auftrag beim Transport von
Kindern zu Sportveranstaltungen
(Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 346/14)
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute
entschieden, dass es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines
Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer
Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich - auch
im Verhältnis zum Sportverein - um eine reine Gefälligkeit handelt, die sich im
außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den
Verein ausscheiden.
Die Parteien streiten um den Ersatz von Schäden, die die
Klägerin bei einem Verkehrsunfall erlitten hat. Die Enkelin der Klägerin spielt
in der Mädchen-Fußballmannschaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm am
9. Januar 2011 in B. an der Hallenkreismeisterschaft teil. Die Klägerin, die
ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, verunfallte mit ihrem PKW
auf der Fahrt nach B. und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die A.
Versicherungs-AG, bei der der Beklagte eine Sportversicherung unterhält, lehnte
die bei ihr angemeldeten Ansprüche der Klägerin ab. Nach den
Versicherungsbedingungen würden nur Vereinsmitglieder und zur Durchführung
versicherter Veranstaltungen "offiziell eingesetzte" Helfer
Versicherungsschutz genießen; zu diesem Personenkreis gehöre die Klägerin
jedoch nicht. Die Klägerin hat daraufhin den Beklagten auf Ersatz ihres
materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das
Oberlandesgericht den Beklagten - unter Zurückweisung der Berufung bezüglich
des begehrten Schmerzensgeldes - zur Zahlung von 2.811,63 € nebst Zinsen
verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision des Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts, soweit
zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, aufgehoben und das
klagabweisende landgerichtliche Urteil bestätigt. Nach der Senatsrechtsprechung
ist im Bereich der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse zwischen einem
Auftrags- und einem Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden. Ob jemand für
einen anderen ein Geschäft im Sinne des § 662 BGB besorgt oder jemandem nur
eine (außerrechtliche) Gefälligkeit erweist, hängt vom Rechtsbindungswillen ab.
Maßgeblich ist insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter - nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf
die Verkehrssitte - das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche
Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für
den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem
Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der
Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches
Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten
nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswillen zugrunde gelegt
werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel beim sogenannten
Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesellschaftlichen
Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein. Genauso
muss, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, im Bereich der gesetzlichen
Schuldverhältnisse zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff
BGB und der (außerrechtlichen) Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden.
Maßgeblich ist insoweit ebenfalls, wie sich dem objektiven Beobachter - nach
Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte - das Handeln des Leistenden darstellt. Die Abgrenzung
erfolgt unter Berücksichtigung unter anderem der Art der Tätigkeit, ihrem Grund
und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den
Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei
entstehenden Interessenlage der Parteien. Gefälligkeiten des täglichen Lebens
oder vergleichbare Vorgänge können insoweit regelmäßig den Tatbestand der §§
677 ff BGB nicht erfüllen.
Die Klägerin hat im vorliegenden Fall ihre Enkelin nach
B. fahren wollen, um dieser die Teilnahme an der Kreismeisterschaft zu
ermöglichen. Dies geschah aus Gefälligkeit gegenüber ihrer Enkelin
beziehungsweise deren sorgeberechtigten Eltern. An dem Charakter der Fahrt als
Gefälligkeit ändert sich nichts dadurch, dass der Transport nicht ausschließlich
im alleinigen Interesse der Enkelin und ihrer Eltern, sondern auch im Interesse
der Mannschaft und damit des beklagten Sportvereins lag. Der
"Bringdienst" der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen
war nach den tatrichterlichen Feststellungen Sache der Eltern beziehungsweise
anderer Angehöriger oder Freunde. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörungen
vor den Instanzgerichten angegeben, die Kinder seien immer privat gefahren
worden. Sie selbst habe viele Fahrten durchgeführt und dafür nie etwas
bekommen. Wenn sie nicht gefahren wäre, hätte man den Transport innerhalb der
Familie oder der übrigen Vereinsmitglieder so umorganisiert, dass eine andere
Person ihre Enkelin gefahren hätte. Dieser übliche Ablauf spricht entscheidend
dagegen, den auf freiwilliger Grundlage erfolgten Transport der Kinder zu
Auswärtsspielen durch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld als auf der
Grundlage eines mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ausgestalteten
Schuldverhältnisses erbracht anzusehen. Vielmehr handelt es sich, wenn
minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren
Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu
Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich - auch im Verhältnis zum
Sportverein - um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich
abspielt. Solange keine gegenteiligen Absprachen getroffen werden, scheiden
damit Aufwendungsersatzansprüche aus.
LG Stade - Urteil vom 11. Dezember 2013 - 2 O 304/12
Oberlandesgericht Celle - Urteil vom 16. Oktober 2014 - 5
U 16/14
Karlsruhe, den 23. Juli 2015
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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